Artikel, p.s. Zeitung

Ist Hotzenplotz Schweizer?

Zum Jahresschluss doch noch etwas Biss! Die Nationalität bei Tatverdächtigen – es gilt, ausser bei Männern mit Bart, die Unschuldsvermutung – wird von der Stapo nicht mehr automatisch genannt. Gut so. Es folgte lautes Aufjaulen im ‹Blick›, gefolgt vom ‹Tagi›, der den Hals kurz darauf wendet und lauter zustimmende Texte abdruckt. Da musste die NZZ natürlich auftrumpfen und publizierte eine Woche später ein Interview mit dem obersten Wachmeister Dimpfelmoser, vulgo Hans-Jürg Käser, Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. Da lohnt sich die genaue Lektüre.

 

Denn bis anhin haben die glühenden Verteidiger von Nationalismus in Polizeiberichten immer gekniffen, wenn es um die Frage ging, worin eigentlich der Mehrwert der Nationalitätennennung besteht. «Transparenz» schien ein Selbstzweck. Auch Käser, dessen eigene Kapo Bern notabene keine Nationalität nennt, kneift zuerst, aber die NZZ-Journis haken nach, mit Erfolg: Am Beispiel eines afrikanischen Tatverdächtigen nennt Käser «mentalitätsmässige Unterschiede» als Ursache für kriminelles Handeln: «Überdurchschnittlich viele Menschen, die aus dieser Region kommen, halten sich nicht an die Regeln. Natürlich sind die Gründe dafür von Fall zu Fall unterschiedlich. Sie sind nicht nur auf die Herkunft, sondern auch auf die persönliche Situation zurückzuführen.» Aha. Was jetzt? Herkunft oder Zukunft? Und wie genau muss man sich das eigentlich vorstellen? Die aus Afrika sind alle so blöd, dass sie nicht merken, dass in der Schweiz unter Umständen «andere Regeln» gelten als im Busch? Und was hat dieses geradezu klassisch rassistische Vorurteil mit der Nationalität zu tun? Da passen die verbalen Ausrutscher gegen Farbige, die sich Käser in jüngster Vergangenheit offenbar geleistet haben soll, prima ins Körbchen.

 

Auch beim Genderthema nur dünnes Eis. Es ist ja schampar rücksichtsvoll, wenn Käser, politisch überkorrekt, von «Menschen» spricht. Tatsache ist aber, dass zu 85 Prozent Männer delinquieren. Dass damit Nationen mit einem hohen Männeranteil unter den Migranten statistisch einen grösseren Anteil an Tatverdächtigen aufweisen könnten, verwundert nicht. Die wichtigsten Variablen in der Kriminalstatistik sind, in absteigender Reihenfolge: das Geschlecht, das Alter, der sozioökonomische Status und das Bildungsniveau. Wenn ich hierzu den Verein Vivre Ensemble zitieren darf: «Die Wahrscheinlichkeit, dass ein junger, mittelloser Schweizer ohne Bildung ein Verbrechen begeht, ist ebenso hoch wie bei einem Ausländer mit den gleichen Voraussetzungen.» Schon komisch, dass der oberste Tschugger sowas nicht weiss.

 

Gegen Unwissen hilft Treudoofheit. Auf die Frage der NZZ: «Aber trifft es nicht zu, dass die Nennung von Nationalitäten in Polizeimeldungen Ressentiments gegen Ausländer verstärkt?», folgt zuerst ein fröhliches «Weshalb denn?» Ähm, Dimpfelmoser: Vielleicht, weil viele braune Dumpfbacken ähnlich verkürzt denken wie Sie? Die Nationalität sei wichtig, so Käser, weil man sonst keine «Schlussfolgerungen» ziehen könne. Was für welche, darüber lässt er uns im Ungewissen. Was vielleicht besser so ist. Immerhin, FDP-Mitglied Käser warnt zum Schluss davor, dass die Leute nur noch mehr SVPler wählen, «die diese Thematik aktiv bewirtschaften», wenn der Wolff weiterhin so blöd tut. Ob das schlimmer ist als FDPler wählen, die diese Thematik passiv-aggressiv bewirtschaften, bleibe dahingestellt.

 

Frohes Adventsshopping! Passen Sie auf Taschendiebe auf! Die halten sich nämlich an gar keine Regeln.

 

Markus Kunz

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