Und schon wieder ist es passiert. Einerseits das mit einem Grünen Regierungsrat namens Martin. Bloss, dass er gekommen ist um zu bleiben. Und andererseits haben SP, GLP, AL, EVP und Grüne gemeinsam eine dringliche Motion eingereicht, mit der der Stadtrat dazu verpflichtet wird, Zürich innert nützlicher Frist CO2-neutral zu machen. Dazu muss er eine Vorlage ausarbeiten, die sagt, bis wann und ungefähr wie, und diese muss in einer Abstimmung bestehen. Und wenn das passiert ist, dann geht’s los. Der Weg wird ein weiter sein, aber gemäss Volksmund beginnt jeder noch so lange Weg mit dem ersten Schritt. Und den haben wir nun gemacht.
Wie wir es machen? Ich hab da so meine Ideen, aber die interessieren hier kaum. Denn der Weg ist klar: Fossile Energien ersetzen, und zwar alle, siehe Gletscherinitiative, nur schneller. Womit auch klar ist, dass die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs nicht im Fossilmotor liegt. Zweitens: Rigorose Kreislaufwirtschaft. Die Jungen Grünen sind dran mit ihrer Volksinitiative. Drittens: Konsumverhalten umkrempeln. Ich setze vorerst mal auf die Volksinitiative zur Abschaffung der Massentierhaltung. Viertens (und das hören nicht alle gern): Wir fordern ja auch in der Stadt Zürich weise nicht einfach nur den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter, sondern «Netto Null». Das berücksichtigt, dass man auch in Zukunft fossile Energieträger einsetzen wird – wohl nur schon in der Kunststoffindustrie –, die aber zu kompensieren sind. Das Zauberwort heisst: Senke. Teils Technokratie, wenn es darum geht, CO2 aus der Luft zu filtern, teils Biologie, etwa beim Aufforsten. Leider wird dazu die Stadt Zürich nicht viel beitragen können, denn wir haben weder Platz für mehr Wald noch für mehr Humusflächen, beides excellente CO2-Senken. Aber wir sind eine Stadt, und damit stellt sich die Frage nach der Kompensation fuori le mura. Heikel.
Ich werde dieser Tage oft gefragt: Bedeutet das Verzicht? − Nun, ich ziehe dann jeweils die Riemchen meiner Sandalen stramm, zupfe meinen selbstgestrickten Wullipulli zurecht und hoffe, man rieche es nicht, wenn mein Atem beim Antworten verrät, dass ich seit 10 Jahren dieselbe Zahnbürste benutze, und ich sage dann: Kommt ganz auf dich an! Wenn wir, nach Abschaffung der Massentierhaltung, nur noch 10 Prozent so viel Fleisch zur Verfügung haben, ist das für alle VegetarierInnen kein Verzicht, für die Fleischfresser schon. Wenn das Fliegen 100mal mehr kostet als heute und man sich echt was überlegen muss bei der Ferienwahl, dann ist das für mich kein Verzicht, für andere schon. Und wenn ich dafür kostenmässig gradestehen muss, dass ich pro Jahr 250 Kilo Nahrungsmittel waste, dann… ich sehe, Sie haben es begriffen. − Verzicht ist eine ideologische Kampfparole der Verschwender. Verzicht ist subjektiv, also wertend, also nur gerade tauglich für die rhetorische Schlacht, die sich darum drückt, vernunftbasiert die Frage zu beantworten, was wir wirklich brauchen. Und nicht, was wir auch noch kaufen und fortwerfen könnten. Von daher bin ich gelassen. Das Leben mit «Netto Null» wird ein anderes sein, aber es wird genauso fein wie heute sein. Denn, es gilt immer noch: TINA. There Is No Alternative. Weil, Netto Null gibt es nur auf genau zwei Arten: by design or by desaster.
Und so haben wir ihn also gemacht, den ersten Schritt. Ich bin sehr erleichtert. Ich bin ungeheuer gespannt. Ich schreibe dies am ersten Geburtstag meiner Enkelin, und ich freue mich jetzt schon auf ihren achtzehnten. Dann werde ich ihr erzählen, wie wir das Desaster gerade noch knapp vermieden haben.
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