70 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer befürworten eine Flugticketabgabe. Aber nur fünf Prozent CO2-kompensieren ihren Flug. Das tönt auf den ersten Blick nach Verlogenheit. Ist es aber nicht. Es ist vielmehr ein klarer Ruf nach einem System Change. Und eine Absage an die faule Ausrede namens Eigenverantwortung. Es ist eben nicht so, dass die eigenverantwortliche CO2-Kompensation eine moralische Angelegenheit wäre, quasi BürgerInnenpflicht. Und schon gar nicht wird das in der Bevölkerung derart ideologisch aufgeladen, wie das der Liberalismus tut.
Sondern es ist einerseits viel bequemer, wenn man nicht noch irgendwo auf dem Formular ein Kästchen für die Kompensation ankreuzen muss, sondern wenn die Flugticketpreise die Kompensation bereits enthalten. Zweitens ist das viel gerechter, weil dann alle mehr bezahlen müssen und nicht nur ich. Drittens ist es effektiver, weil der Anreiz anders gesetzt wird. Und viertens merken die meisten Menschen sehr wohl, dass die systemische Änderung mehr bringt als eine individuelle. Genau wie klug gesetzte Verbote übrigens, wäre dem anzufügen. Zudem ist das regulierte Leben eine alltägliche Realität. Es fragt sich ja nicht, in welchem Ausmass, es fragt sich nur: Durch wen? Gerade wieder haben wir am WEF vorgeführt bekommen, wer uns tagtäglich reguliert. Nicht zu knapp und komplett undemokratisch. Hofberichterstattungsmässig begleitet durch die Embedded Press. Und gehöbelet durch den Bundesrat.
Letzthin lief auf SRF dazu der ultimative Dokumentarfilm zum 50-jährigen WEF, leider mal wieder abends spät. Die Schlüsselszene: Man sieht einen Sitzungsraum mit grossem Tisch, und in der Mitte thronte Trump. Rund um ihn herum die absolute Spitzencrew der globalen Grossfirmen-CEOs. Alle waren sie da, die mächtigen Männer der höchstdotierten Firmen, von Nestlé bis Apple. Und dann gings los. Reihum durfte jeder, wie die Schulerbuben vor dem Samichlaus, sein Sprüchli aufsagen, und das ging stereotyp so: Ich bin der und der und habe in letzter Zeit so und so viele Milliarden in den USA investiert… und dann unterbrach ihn der Trump auch schon, weil mehr interessierte ihn ja gar nicht, und er lobte den braven Knaben und straffte dann den Bauch, damit ihn der nächste pinseln konnte. Reihum, wie gesagt. Und man sass vor der Glotze und tat ebenso. Mit offenem Mund. Ja klar, naiv, ich weiss, aber müssen denn die Mächtigen, bloss weil sie vergessen haben, dass eine Kamera im Raum anwesend ist, gleich alle Scham verlieren?
Aber nun gut, es war lehrreich. Das System funktioniert, zumindest auf der einen Seite. Und ein kleines bisschen Hoffnung ist ja auch in dieser Nachricht: Wenn Blackrock und andere Grossinvestoren aus Gründen, die uns allen ein Rätsel sein werden, mal beschliessen sollten, all diese Firmen nicht mehr zu unterstützen, nicht mehr in fossile Energien und braune Ärsche zu investieren, sondern in risikoärmere Technik, fortschrittlichere Regierungen und erneuerbare Ressourcen, aus dem einfachen Grund, weil hier mehr zu verdienen ist, dann könnte sich das Klimablatt durchaus schnell wenden. Oder sagen wir mal: schneller. Vielleicht sogar innert nützlicher Frist. Vermutlich hätten wir dann zwar einen System Change ohne Change. Und nicht mal daran mag ich glauben, aber ich sag mal: Reden wir drüber, wenn’s soweit ist. Vermutlich finden die Mächtigen der Welt ja eh nie einen Ausweg aus den Enddärmen der Trumps dieser Welt. Aber dort, pardon für dieses Bild, spielt die Musik.
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