Der ebenso listige wie geniale Dichter Thomas Gsell brachte es letzthin wieder einmal auf den Punkt in seinem Gedicht «Mir zum Sechsundsechzigsten»: «…Nun bin ich Haupt- statt Nebensatz / Nun bin ich Wein statt Krug. / Sternhell strahlt mein Erfahrungsschatz, / und Jugend schenkt mir ihren Platz / in Bus und Bahn und Zug». Genau! So isses und nicht anders! Ein Traum! Mir geht’s zwar nicht ganz genau so, weil ich in Bus und Bahn mit meinem faltenfreien Gesicht – nun ja, ausser natürlich der dezenten Wutbürger-Zornesfalte, aber das ist nicht das Alter, das sind die Tubel in Bern oben – immer noch als Jugend durchgehe, der natürlich kein Sitz angeboten wird, aber henu, das kommt schon noch.
Ironie dem Pensioniert-, also Altsein gegenüber ist durchaus nötig. Schon Hollywoodlegende Mae West bemerkte, dass das Alt werden nichts für Feiglinge ist. Einerseits ist das wirklich ein magischer Lebensabschnitt, denn zum ersten Mal in meinem ganzen Leben kann ich machen, was ich will. Wahnsinn. Andererseits kann das nur von sich sagen, wer es sich auch leisten kann. Heller Wahnsinn. Ein gutes Leben im Alter, was immer auch eine finanzielle Komponente hat, war zwar von unseren Vorfahren verfassungsmässig vorgesehen, aber wir alle wissen, wie die Realität heute aussieht. Die 13. AHV-Rente, die Wintermantelzulage oder die Ergänzungsleistung sind da zwar kleine Pflästerli, aber nur schon die Tatsache, dass sie überhaupt nötig sind, bekleckert unseren Umgang mit älteren Menschen nicht grad mit Ruhm.
Es mehren sich die Anzeichen, dass sich unsere Gesellschaft tatsächlich auf einen Gedankenprozess einlassen will, an dessen Ende der Vertrag, dass die Jüngeren und Leistungsfähigen für die Älteren materiell sorgen sollen, nicht mehr gültig ist. Das wäre zwar eine Bankrotterklärung des Sozialstaats, aber man kann das ja meinetwegen diskutieren. Nur, wenn schon, dann muss eine solche Debatte bitteschön weitaus offener und ehrlicher geführt werden als heute. Wer die Alten hängen lassen will, soll das laut und deutlich sagen. Und vor allem zu den Alternativen stehen (und überhaupt eine haben).
Die Anzeichen mehren sich auch, dass wir Systeme unterhalten, die wir uns längerfristig unter Umständen – Sie sehen, ich formuliere verflucht vorsichtig – gar nicht leisten können. Das sind nicht nur soziale Systeme, wie unser Gesundheitssystem oder eben die Altersvorsorge, sondern auch Infrastrukturen (was aktuell besonders deutlich in Deutschland oder den USA sichtbar wird, wo Brücken und Strassen brösmeln) oder unsere Armee, die schon immer ein Fass ohne Boden war, oder auch unsere Landwirtschaft. Es fragt sich aber, ob wir uns das alles wirklich nicht leisten können, oder ob das taktische Positionsbezüge sind, wie dazumal das Geschrei um die 13. Rente, welche die Bürgerlichen ja bereits sabotieren wollen.
Und es fragt sich zweitens, was das genau bedeutet, wenn wir am Ende einer gesellschaftlichen Debatte zum Schluss kämen, dass etwas gar nicht finanzierbar ist. Und ob wir so eine Einsicht überhaupt zulassen würden. Vorher noch werden wir versuchen, an den Systemen herumzusparen, sie zu redimensionieren, was aber nicht überall machbar ist, weil sonst der Systemzweck gar nicht mehr erreicht werden kann. Was nicht nur für die Altersvorsorge, sondern zugegebenermassen auch für die Armee gilt. Für mich ist daher schon lange klar: Wir müssen mehr Einnahmen haben, und dazu sollten wir uns Robin Hood wieder mehr zum Vorbild nehmen. Reichtum gibts genug bei uns.
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