Langsam fügt sich so einiges zusammen. Der Krieg in der Ukraine ist eine Katastrophe, aber so ganz nebenbei, wenn diese Bemerkung denn erlaubt sei, unterstreicht er einige für uns lebenswichtige Zusammenhänge. Etwa bei der Nahrungsmittelproduktion. Die alten Gewissheiten (hier zum Beispiel: Hunger ist global überwunden) sind zwar schon lange keine mehr, aber dass es ausreicht, dass die Welt sich auf eine Nahrungskrise hin bewegt, nur weil ein einziges Land als Getreideproduzentin ausfällt, ist doch erstaunlich. Und macht einer neuen Gewissheit Platz: dass wir es falsch angehen.
Nun ist das nicht ganz neu, es wird einfach gerade brutal bestätigt. Die Art und Weise, wie wir – bescheiden wir uns mal auf die Schweiz – uns ernähren, hat keine Zukunft. Wir verschwenden zu viele Kalorien. Einerseits mit einer falschen Produktion, die zu intensiv ist, also zu viel Fremdenergie, Umweltgifte und Kunstdünger benötigt sowie einseitig auf die Tierhaltung bzw. Fleischerzeugung ausgerichtet ist, was bekanntlich viele Kalorien ‹vernichtet›, die uns dann fehlen. Andererseits immer noch, und mehr denn je, durch Foodwaste.
Wie einfach es wäre, hat Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, in einer Studie gezeigt. Fazit: Die Schweiz kommt ohne Nahrungs- oder Futtermittelimporte aus. Wir können die gesamte Bevölkerung ernähren, ohne dabei Abstriche beim Naturerhalt, der Bodenschonung oder der Artenvielfalt in Kauf nehmen zu müssen. Selbstverständlich geht das nur mit fleischarmem Essen, aber Tiere gibt es weiterhin in der Landwirtschaft und sogar auf dem Teller, ca. 40 Prozent von heute, für all jene, die nicht verzichten wollen. Es gibt mehr Härdöpfel und weniger bis gar keinen Reis. Oder mehr Birnen und weniger Orangen. Wer Himbeeren im Winter als unverzichtbare kulturelle Errungenschaft oder Fortschritt hält, der oder die wird fluchen. Wer auf seinem Recht pocht, weiterhin 322 Kilo noch intakter und konsumfähiger Nahrungsmittel fortzuschmeissen, dem oder der ist dann allerdings nicht mehr zu helfen. 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in der Schweiz pro Jahr vernichtet. Das ist eigentlich Skandal genug für mich, es braucht keinen zusätzlichen Krieg, der die SVP dazu bringt, nun auch noch die letzten Schmetterlinge mit mehr Umweltgift eliminieren zu wollen. (Weil die uns das Getreide wegfressen?) Das ist unglaublich dumm und zeugt von einer entsetzlichen Ignoranz der Natur gegenüber.
Apropos Natur: Der neueste IPCC-Bericht zum Thema «Eindämmung des Klimawandels» macht unter anderem zwei Aussagen, erstens, dass die Treibhausgas-Emissionen nicht abgenommen haben, und zweitens, dass die Auswirkungen davon zumeist irreversibel sind. Wir haben es zwar geahnt, aber nun ist klar: Wir werden mit dem Klimawandel leben müssen, und was wir heute davon erleben, ist nur der Anfang. Getreidelieferungen aus der Ukraine würden so oder so mittelfristig abnehmen, aber wer optimistisch sein will, kann sich ja einreden, dass sie neu durch Lieferungen aus Sibirien ersetzt werden. Landwirtschaft, so das IPCC, ist einer der Schlüsselbereiche, wenn es um den Krieg gegen den Klimawandel geht. Denn, und diesen Satz zitiere ich am besten gleich im Original: «If global CO2 emissions continue at current rates, the remaining carbon budget for keeping warming to 1.5°C will likely be exhausted before 2030.» Krieg und Hunger: Sie gehen Hand in Hand. Egal über welche Zusammenhänge.
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