Artikel, p.s. Zeitung

Sommer, Krishna, Swifties

Neue Bauernregel: «Chanten die Krishnas im Garten, sind Unwetter nicht zu erwarten.» Wir leben nun mal in Hörweite des Krishnatempels, der auf der anderen Seite der Strasse liegt, die neuerdings Rad-WM-technisch «City-Circuit» heisst. Aber nicht, dass Sie jetzt denken, ich hätte was gegen die Krishnas! Die halten sich, im Gegensatz zum blöden Nachbarshund, immer an die Polizeiverordnung, und ihre Gesänge sind ja quasi Noten gewordene Haschischpfeifen, also stressmindernd, aber auch sagen wir mal, nicht so originell, was im Effekt ein bisschen an Taylor Swifts Songs erinnert. Ich hab auch nichts gegen Swifties, auch nicht gegen die gefühlten dreitausend Exemplare damals nach dem Konzert im 33er. Die waren immerhin wesentlich chilliger als gefühlte drei Exemplare von FCZ-Fans. Und sahen besser aus. Was ich mich einfach frage: Kann mir eigentlich irgendjemand sagen, was ein Taylor-Swift-Konzert strukturell von einer Critical Mass unterscheidet? An beiden Events strömen spontan Massen von Menschen ohne Bewilligung auf den öffentlichen Grund, verstopfen die Quartiere und legen den Verkehr lahm. Der einzige Unterschied ist, dass die FDP bei der CM zuverlässig ein Schäumchen vor dem Mund bekommt, aber das ist kein struktureller Unterschied, sondern ein pathologischer. Ich verstehs nicht. Was dulden wir, was nicht? Ich muss dazu schnell ausholen:

Der Sommer, oh Herr, war nämlich nicht nur sehr gross, sondern auch durchaus bemerkenswert. Kaum hatte er begonnen, klebten sich auch schon die ersten Klimaaktivist:innen an die Rollbahnen – und verlangten nun wirklich Unmögliches: Saubere Seine bis zum Juli! Absurd! Und der Herr sah, dass er hier mit stärkerem Geschütz auffahren muss und beschenkte Paris mit einer Olympiade. Und siehe: Die Behörden nahmen den Finger heraus und anderthalb Milliarden in die Hand und putzten den Fluss, bis er wieder beschwimmbar war… (na ja, immerhin nah dran). – It’s sports, stupid! scheint der Slogan der Stunde zu sein, und da will natürlich auch die Stadt Zürich nicht nachstehen. Obschon es eine Beinahe-Unmöglichkeit zu sein scheint, mit baulichen Massnahmen auf unseren Strassen dem Fuss- und Veloverkehr zu mehr Platz zu verhelfen, was mehrere Gesetze der Stadt eigentlich vorschreiben, liefert die anstehende Rad-WM den nötigen Boost für Erstaunliches: Der City-Circuit vor meiner Haustür wurde schon Monate (!) vor dem Start des ersten Rennens gesäubert, bzw. von allen Inseli, Parkplätzen, Pfosten und weiteren Störfaktoren befreit. Erstaunlich, was geht.

Sport und Kultur. Sie allein können, was alle Demos, Klebe- und Protestaktionen nicht können. Sie allein bringen den Notstand, den die Klimaaktivist:innen seit Jahren vergeblich einfordern. Sie überschreiten nicht nur Grenzen, sondern auch Gesetze. Sie übersteuern sogar das Gewerbe, obschon es, für einisch mit voller Berechtigung, über Ertragsausfälle, Blockaden und andere Plagen klönt. Sie schneiden Lebensräume entzwei, isolieren alte Menschen und Mobilitätsbeeinträchtigte in ihren Wohnungen und legen das Leben (und bei uns sogar die Müllabfuhr) lahm, wenn auch nur für ein paar Tage. Wir lernen und staunen. – Herr, der Sommer war bemerkenswert. Und normal. In Griechenland brannten die Wälder, in den Alpen wurde das Wasser knapp (zu viele Kühe auf den Alpweiden), Elon Musk outete sich als Klimaleugner und Brienz ist im Schlamm ersoffen. Herr, es gibt viel zu tun. Und verschone uns vor Unwettern. Hare Krishna!

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