Der Mist ist geführt. Ritter ist über seine eigenen Füsse gestolpert. Er, dessen Lieblingssatz «de Konsumänt will da» lautet, musste zur Kenntnis nehmen, dass die Konsumänten (und ganz besonders die in seinem Reich nicht vorkommenden Konsumentinnen) ihn nicht wollten. Ein güllegesprenkelter Macher im Edelweisshemmli, der sich hinter «dem Konsumenten» versteckt, wenn er zum Beispiel erklären sollte, warum die Bauernsame Gift über der Landschaft und damit im Grundwasser verteilt, hat nicht einmal fürs VBS genug Glaubwürdigkeit. Er, der Biobauer, schwadronierte dann jeweils, dass de Konsumänt eben ein diverses Wesen sei, das nicht nur bio wolle, weshalb man für alle, und nicht nur für wenige produzieren müsse. Auch im Geld-und-Gülle-Kapitalismus sind immer die anderen schuld.
Man könnte eine ganze Serie von Kolumnen schreiben über solche Mythen und (Selbst)Betrug im Marktglauben. «De Konsumänt will da» ist nur eine davon. Im gleichen Boot sitzt übrigens der Verwaltungsratspräsident der Post, Christian Levrat. Er führte jüngst mustergültig vor, wie man das macht: Zuerst Poststellen schliessen, aus Spargründen natürlich, leider absolut unvermeidlich. Danach, nach einem Verschnaufpäuschen, lautstarkes Gejammer, die Leute würden immer weniger am Schalter einzahlen und auch keine Briefe mehr einwerfen und Päckli aufgeben. (Wo denn auch, wenns immer weniger Schalter gibt?) Also müsse er, Levrat, so leid es ihm tue, noch mehr Poststellen schliessen. Dazu fällt mir ein deutscher Witz ein, der über einen früheren Postminister kursierte: «Was macht Postchef Christian Levrat des morgens in seinem Büro? – Er erledigt die Post.» Man betrügt sich selbst und andere, wenn man jedes Marktversagen einseitig den Konsument:innen, also der Nachfrage, in die Schuhe schiebt. Wie wenn diese nicht sehr wohl gesteuert wäre, mit Marketing, Werbung, Influencing – oder mit Poststellenschliessungen. Die Werber:innen bestreiten natürlich jegliche Manipulationsabsicht und sagen, dass dies getreu dem liberalen Menschenbild ja auch gar nicht ginge.
Chabis! Wenns nicht funktionieren würde, würde man nicht Millionen in dieses Gewerbe stecken. Selbstverständlich werden Bedürfnisse geschaffen! Vergiftetes Grundwasser letztlich also «em Konsumänt» unterzujubeln, ist daher der Schritt vom Selbstbetrug zur Lüge.
Allerdings gibt es diese Tendenz zum Abbau von Serviceleistungen an vielen Orten. Man muss ja nicht gleich bis in die USA oder nach Argentinien reisen, um das Phänomen studieren zu können. Und wenn sich auch ein Vergleich mit den dortigen Zuständen gewiss verbietet, frage ich mich manchmal, ob der Abbau beim Service public, der auch bei uns, auch in der Stadt Zürich, stattfindet, nicht doch eine Art Kettensägemethode ist, im Stil einiges eleganter, aber im Effekt letztlich ähnlich. Auch in Zürich verschwinden Kreisbüros, Polizeiwachen, Billetautomaten usw., was nicht nur, aber vor allem die ältere Bevölkerung diskriminiert. Diese Konsument:innen wollen das ganz bestimmt nicht, aber wen kratzt das. Und die Digitalisierung, die als Ersatz propagiert wird, ist in vielen Fällen ein Hohn. Aber den Kapitalismus mit einer feinziselierten Analyse über seine Widersprüche belehren zu wollen, ist im Zeitalter des anarchischen Grobianismus unnötig und irgendwie noch hilfloser geworden als vorher. Interessant ist immerhin, dass beim Ritter von der traurigen Denkart die Allianz von Geld und Gülle für einmal abgestunken ist.
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